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Hintergrund

 

Der Welt-Psoriasis-Tag

Psoriasis ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung, die das Leben vieler Betroffenen und deren Angehörigen in jedem Lebensbereich stark einschränken kann. Zahlreiche moderne Therapieoptionen konnten in den letzten Dekaden das Leben der Psoriasis-Patienten zum Positiven verändern. Doch trotz der vielen therapeutischen Möglichkeiten haben auch in Deutschland nicht alle Patienten Zugang zu den modernen Therapien wie die Leitlinie sie fordert. Die Erkenntnis, dass es sich bei der Psoriasis um eine Systemerkrankung handelt und Begleiterkrankungen, wie Bluthochdruck oder Diabetes durch Entzündungen entstehen bzw. sich verschlechtern können, stellt neue Herausforderungen sowohl für die Patienten als auch für die Ärzte dar. So ist das Vernetzen von Kompetenzen aller Beteiligten ein entscheidender Ansatz, um die Versorgung und das Leben der Betroffenen mit Psoriasis zu verbessern.
[br]Es gibt also noch viel zu tun, um die Lebensqualität der Patienten nachhaltig zu verbessern. Der jährlich am 29. Oktober stattfindende Welt-Psoriasis-Tag ist diesen Menschen gewidmet und möchte den rund 125 Millionen weltweit Betroffenen Gehör geben, um auf ihre Belange aufmerksam zu machen und eine Verbesserung der Versorgung zu erreichen.


„Ich habe mich nie versteckt“

 

Inken Junge hat gelernt, mit Schuppenflechte zu leben

 

von Friederike Seifert

 

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Inken Junge (21) aus Hamburg: „Ich habe mich nie versteckt.“

Inken Junge aus Hamburg erkrankte bereits mit drei Jahren an Schuppenflechte. Sie kennt die Probleme dieser unheilbaren Erkrankung von klein auf. Doch trotz aller Probleme und Hindernisse hat sie gelernt, ihr Leben mit der Psoriasis – so der medizinische Fachbegriff – selbstbewusst zu meistern.

In der Schule wurde sie gemobbt, ihr Ex-Freund schämte sich mit ihr, Menschen auf der Straße starren sie an, viele ekeln sich und wenden sich ab. „Ich habe bisher viel durchgemacht“, fasst Inken ihr junges Leben in einem Satz zusammen. „Es ist schlimm wie eine Aussätzige behandelt zu werden, das tut einfach weh.“

Die 21-Jährige kennt das Repertoire der Stigmatisierung durch Psoriasis (Schuppenflechte) rauf und runter. Fast sei es ein Glück, dass sie schon mit drei Jahren erkrankt sei, denn sie habe in den vielen Jahren gelernt, selbstbewusst mit dieser immer noch unheilbaren Hauterkrankung umzugehen und sie habe akzeptiert, dass sie damit leben muss. „Ich habe mich nie versteckt.“ Geholfen hat ihr, dass ihr Vater auch an Schuppenflechte erkrankt ist und er sie immer verstanden hat. Als Jugendliche hat sie dann eine Psychotherapie gemacht. „Das hat mich gestärkt und mir die Angst genommen, darüber zu reden, auch in der Öffentlichkeit.“

Viele Betroffene, die später erkrankten, hätten weit größere Probleme, glaubt sie. Viele Jugendliche zögen sich zurück, säßen zu Hause alleine herum, trauten sich nicht ins Schwimmbad oder mit T-Shirt, Rock oder kurzer Hose auf die Straße. Viele versteckten ihre schuppige Haut unter Kleidung und verheimlichten sogar ihren besten Freunden, dass sie an Schuppenflechte erkrankt sind.

Inken Junge hat beim jüngsten Camp des Deutschen Psoriasisbundes im Austausch mit Gleichaltrigen eine Reihe neuer Impulse bekommen, die ihr helfen, noch besser mit ihrer Schuppenflechte zurecht zu kommen.

Inken Junge hat beim jüngsten Camp des Deutschen Psoriasisbundes im Austausch mit Gleichaltrigen eine Reihe neuer Impulse bekommen, die ihr helfen, noch besser mit ihrer Schuppenflechte zurecht zu kommen.

Eine wohltuende Auszeit ist das jährliche DPB-Jugendcamp für junge Menschen mit Psoriasis. „Dieses Wochenende einmal im Jahr ist so wichtig für uns“, betont Inken. „Wir alle kennen das Thema Mobbing, wir alle werden angestarrt, ausgegrenzt und beleidigt.“ Liebe und die Akzeptanz in der Partnerschaft seien wichtige Themen. „Im Camp können wir dann endlich einmal offen über alles sprechen und wir sind endlich mal keine Außenseiter. Wir geben uns gegenseitig Tipps und bleiben auch danach über Facebook in Kontakt“, berichtet sie.

Offen und selbstbewusst mit ihrer chronischen und unheilbaren Erkrankung umzugehen, sich dem Leben mit Psoriasis stellen und es so anzunehmen wie es ist, das lernen die Teilnehmer im Jugendcamp vom hochkarätigen Betreuerteam, dem stellvertretenden Vorsitzenden des DPB, Ottfrid Hillmann, dem Psychologen Rolf Bäumer und dem Dermatologen Dr. Sascha Gerdes von der Uni-Hautklinik in Kiel.

Ottfrid Hillmann leitet das Camp. Er selbst ist in jungen Jahren erkrankt und kennt die Probleme genau, den sozialen Rückzug bis hin zu Depression. Mit Ende 40 beschloss er offen und proaktiv mit seiner Erkrankung umzugehen: „Ich nahm Anlauf, überwand meine Schuld- und Schamgefühle und sprang über diese Grenze hinüber“, berichtet der heute 61-Jährige. „Ich wollte nicht mehr gegen meine Erkrankung ankämpfen und das erlöste mich von unglaublich viel Druck und Stress.“ Hillmann begann, anderen zu helfen, ihre Ängste und Selbstzweifel zu überwinden. Mittlerweile leitet er eine Regionalgruppe in Düsseldorf und seit fünf Jahren das DPB-Jugendcamp für junge Patienten.

Die Ursache für Psoriasis ist immer noch unklar, doch sicher ist, dass Vererbung eine Rolle spielt. Ist ein Elternteil erkrankt, dann liegt die Wahrscheinlichkeit der Vererbung bei etwa zehn Prozent, und etwa bei 40 Prozent, wenn beide Eltern krank sind.

„Als häufiger Auslöser der Erkrankung gilt Stress,“ berichtet Dr. Sascha Gerdes, der den Jugendlichen während des Camps für alle medizinischen Fragen zur Verfügung steht. „Häufig sind es einschneidende Familienerlebnisse, wie die Trennung der Eltern, aber auch stressige zwischenmenschliche Beziehungen sind ernst zu nehmen. Infekte, wie etwa Mandelentzündungen, führen häufig zu Schüben und Medikamente wie Schmerzmittel können Auslöser sein.“

„Es ist gut, dass ein Dermatologe dabei ist, der sich mit Psoriasis auskennt und uns über die therapeutischen Möglichkeiten aufklärt,“ betont Inken. Denn genau daran würde es im Alltag oft hapern. „Viele Ärzte, auch Dermatologen, kennen sich mit den therapeutischen Möglichkeiten und neuen Medikamenten nicht aus. Meistens verschreiben sie jahrelang Salben und Cortison.“ Mit 19 Jahren wechselte Inken zum ersten Mal den Arzt und seit einem Jahr nimmt sie zum ersten Mal ein Systemtherapeutikum. „Das hilft mir. Die Symptome auf der Haut sind seitdem fast weg“. Zwar sei sie gerade am Anfang der Therapie oft müde gewesen, matt und körperlich schnell erschöpft, doch trotz der Nebenwirkungen ist es für sie der richtige Weg. Und sie wünscht sich mehr Ärzte, die bereit sind, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Wichtig sei es auch, immer wieder dran zu bleiben, bis die richtige Behandlung gefunden wurde. „Das kann die Beschwerden und Symptome eindeutig lindern“, so Inkens Erfahrung.

Doch gerade bei Kindern und Jugendlichen ist der Einsatz von Medikamenten immer noch schwierig: „Da gibt es nicht so viel auf dem Markt“, erläutert Unikliniker Gerdes. „Nicht, weil es keine Therapien gibt, sondern weil zum Beispiel die TNF-alpha-Inhibitoren bis auf eine Ausnahme für Kinder und Jugendliche nicht zugelassen sind. Einige junge Teilnehmer hier im Camp haben mit den „älteren“ Medikamenten wie MTX oder Fumarsäureester gute Erfahrungen gemacht wie auch mit dem Wirkstoff Etanercept. Doch die ersten effektiven Therapieschritte sind in vielen Fällen Salben und Cremes mit Kortikosteroiden. Aber wenn es die individuelle Situation eines jungen Patienten erfordert, sollte auch eine systemische Therapie zum Einsatz kommen.“ Und eines sei ganz wichtig: „Entscheidend für mich ist, dass Arzt und Patient miteinander die beste individuelle Lösung finden,“ so Gerdes.

Eine engmaschige, gezielte und schnelle Behandlung ist von klein auf wichtig, denn Schuppenflechte geht weit über die Haut hinaus. Schuppenflechte ist eine entzündliche Systemerkrankung, die gleichzeitig zu Erkrankungen am Herz, sowie zu Diabetes und Schlaganfall führen kann. Kinder mit Schuppenflechte entwickeln doppelt so oft wie ihre gesunden Altersgenossen eine Fettsucht oder Bluthochdruck. Jeder Vierte entwickelt in seinem Leben eine Arthritis. Und Studien zeigen, dass ein 30-jähriger Patient mit schwerer Schuppenflechte ein dreifach erhöhtes Risiko hat, einen Herzinfarkt zu erleiden.

Doch Inken ist zuversichtlich. Zwar gilt ihre Erkrankung als mittelschwere Form und sie weiß, dass sie wohl ihr Leben lang mit Schuppenflechte leben muss. Doch sie hat für sich den richtigen Arzt gefunden und vermeidet Stress, denn der löst bei ihr oft einen Schub aus. Seit einem halben Jahr ist sie zudem neu verliebt und zum ersten Mal hat sie das Gefühl, einen Freund zu haben, der sie so annimmt wie sie ist.

Mehr Infos für Junge Menschen mit Psoriasis unter
http://www.pso-jugend.de/